Können wir uns zufrieden fühlen und dennoch unzufrieden sein? Die Antwort auf diese Frage ist umstritten – nicht nur unter Philosophen, erklärt unser Kolumnist Matthias Warkus.
Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben? Wenn Ihre Antwort nein ist, gehören Sie zumindest in Deutschland zu einer überraschend kleinen Minderheit: Nur schätzungsweise sieben Prozent der Menschen
waren im Herbst 2019 einer Umfrage zufolge mit ihrem Leben nicht sehr oder überhaupt nicht zufrieden. Der Rest kommt gut klar, 33 Prozent sind sogar sehr zufrieden.
Das ist ein Befund aus der Sozialforschung. Die Philosophie ist nach herkömmlichem Verständnis gerade keine empirische Wissenschaft. Polemisch gesagt: Ihre Vertreter haben sich traditionell
weniger damit befasst, Menschen zu fragen, ob sie zufrieden sind, als ihnen zu erklären, warum ihre Einschätzung falsch ist. Der Sozialphilosoph Herbert Marcuse (1898–1979) schrieb etwa 1964 mit
»Der eindimensionale Mensch« ein ungeheuer einflussreiches Buch, zu dessen Kernthesen es gehört, dass in der von Massenproduktion, Massenmedien und Werbung geprägten modernen Gesellschaft das
»glückliche Bewusstsein« des Konsumenten eine Illusion sei.
Zu diesem Zeitpunkt waren simplere Versionen solcher Ideen längst etabliert: 1957 hatte der US-amerikanische Journalist Vance Packard (1914–1996) den Bestseller »Die geheimen Verführer«
geschrieben, in dem er unter anderem behauptete, durch unterschwellige Einblendungen im Fernsehen würden Verbraucher gegen ihren Willen getrieben, Waren zu konsumieren. (Die
Sciencefiction-Geschichte »Der unterbewusste Mann« von J. G. Ballard aus dem Jahr 1963 spinnt diesen Gedanken bis zu einem gruseligen Ende weiter.) Die Vorstellung, alle Menschen in den
westlichen Industriegesellschaften seien am Ende bloß Konsumsklaven und ihre Zufriedenheit nur oberflächlicher Lack, ist annähernd so alt wie die Kultur von Massenproduktion und -konsum. Sie ist
selbst längst Popkultur geworden.
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